Älterer Mann, der ein Puzzle löst - Gedächtnisfunktionen und ihre Rolle bei Alzheimer und Demenz

Gedächtnisfunktionen und ihre Rolle bei Alzheimer und Demenz

Gedächtnisstörungen betreffen leider immer mehr Menschen, sogar schon im mittleren Alter. Unbehandelt beschleunigt sich der mentale Abbau häufig. Ab einem gewissen Punkt ist die betroffene Person aus eigener Kraft nicht mehr fähig dagegen etwas zu tun. Die gute Nachricht ist, dass es möglich ist frühzeitig zu handeln und die mentale Fitness bis ins hohe Alter zu bewahren. (1)

Das Gedächtnis beeinflusst nahezu jeden Aspekt unserer Erfahrungen, Entscheidungen und Handlungen. Es ist der Schlüssel zur Identität, da es uns ermöglicht, uns selbst und andere zu erkennen und unsere Persönlichkeit zu formen.

Ein besseres Verständnis darüber, wie das Gedächtnis funktioniert, hilft dabei, frühzeitig Anzeichen von Demenz oder Alzheimer zu erkennen. In den frühen Stadien dieser Erkrankungen sind oft das Kurzzeitgedächtnis und die Fähigkeit, neue Informationen zu speichern, beeinträchtigt. Das Langzeitgedächtnis ist in der Regel länger intakt.

Unterschiede zwischen Kurzzeitgedächtnis und Langzeitgedächtnis

Das Kurzzeitgedächtnis ermöglicht es uns, aktuelle Informationen und Eindrücke für kurze Zeit zu behalten. Es ist der Speicher, um sich an eine Telefonnummer zu erinnern, während wir sie wählen. Oder um uns an den Anfang eines Satzes zu erinnern, während wir ihn zu Ende sprechen. Das Kurzzeitgedächtnis hat eine begrenzte Kapazität und kann nur eine begrenzte Anzahl von Informationen für eine kurze Zeit speichern.

Die Zeitspanne des Kurzzeitgedächtnisses beträgt nur wenige Sekunden bis maximal etwa 20-30 Sekunden. Ab etwa 20-30 Sekunden beginnt das Langzeitgedächtnis mehr und mehr zu übernehmen. Genau ab welchem Zeitpunkt Informationen vom Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis übergehen, ist jedoch nicht eindeutig definiert. Es kann je nach Situation und Person variieren.

Vergleich von Kurzzeitgedächtnis und Langzeitgedächtnis: Neurotransmitter und neuronale Netzwerke.
Die Schlüsselunterschiede zwischen Kurzzeitgedächtnis (links) und Langzeitgedächtnis (rechts). Kurzzeitgedächtnis ermöglicht sofortigen Abruf von Informationen, während das Langzeitgedächtnis Informationen durch Bedeutung und neuronale Netzwerke speichert.

Informationen werden im Langzeitgedächtnis gespeichert, wenn Sie als relevant oder bedeutsam eingestuft werden. Durch Wiederholung und bewusste Verarbeitung können Informationen tiefer im Gedächtnis verankert werden. Informationen, die es ins Langzeitgedächtnis geschafft haben, können für Tage, Wochen, Monate oder sogar Jahrzehnte im Gedächtnis bleiben (2).

Kognitive Prozesse im Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis

Die Kodierung und Speicherung von Informationen unterscheiden sich im Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis. Im Kurzzeitgedächtnis werden Informationen meistens akustisch oder visuell kodiert. Wenn wir uns zum Beispiel eine Telefonnummer merken, wiederholen wir sie innerlich, um sie im Kurzzeitgedächtnis zu behalten.

Im Langzeitgedächtnis werden Informationen hingegen semantisch, also durch Bedeutungen und Zusammenhänge, kodiert. Dadurch können sie dauerhaft gespeichert und später abgerufen werden. Informationen im Langzeitgedächtnis werden durch wiederholtes Lernen und Abrufen gestärkt und gefestigt.

Ein weiterer wichtiger Prozess ist die Konsolidierung von Informationen. Dabei werden Informationen aus dem Kurzzeitgedächtnis in das Langzeitgedächtnis übertragen. Dieser Prozess erfordert eine aktive Beteiligung des Gehirns und kann durch Schlaf- und Ruhephasen gefördert werden.

Beim Abruf von Informationen aus dem Kurz- und Langzeitgedächtnis greifen wir auf unterschiedliche Weise zu. Informationen aus dem Kurzzeitgedächtnis sind direkt verfügbar und aktiv im Bewusstsein präsent. Beim Abruf aus dem Langzeitgedächtnis müssen hingegen die neuronalen Verbindungen aktiviert werden, die die gespeicherte Information repräsentieren. Dieser Abrufprozess kann durch Assoziationen und Erinnerungshinweise erleichtert werden.

Ein besseres Verständnis dieser kognitiven Prozesse im Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis ermöglicht uns, effektivere Lern- und Gedächtnisstrategien zu entwickeln und unsere geistige Leistungsfähigkeit zu verbessern (3)(4).

Allerdings gibt es auch eine wachsende Anzahl von Wissenschaftlern, die dafür Plädieren, die scharfe Abgrenzung zwischen Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis aufzuweichen, und alternative Erklärungsmodelle suchen. (5)

Neurobiologische Grundlagen von Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis

Das Kurzzeitgedächtnis, auch Arbeitsgedächtnis genannt, wird von bestimmten Gehirnarealen wie dem präfrontalen Kortex und dem Hippocampus gesteuert. Diese Regionen sind entscheidend für die vorübergehende Speicherung von Informationen, die wir gerade aktiv nutzen. Neurotransmitter wie Acetylcholin und Glutamat spielen eine wichtige Rolle bei der Übertragung von Signalen zwischen Nervenzellen und beeinflussen somit die Funktion des Kurzzeitgedächtnisses. Das erklärt auch, warum Pflanzen wie Gingko oder Brahmi ein effektiver Schutz vor neurodegenerativen Erkrankungen sein können. Sie fördern nicht nur die Bildung von Neurotransmittern, sondern auch die Reduzierung von Beta-Amyloid Plaques.

Das Langzeitgedächtnis hingegen wird durch einen Prozess namens Langzeitpotenzierung geprägt. Dabei kommt es zu einer Verstärkung der Verbindungen zwischen Nervenzellen, was zu einer erhöhten Kommunikation und Speicherung von Informationen führt. Diese neuronale Plastizität (“Umbau des Gehirns”) ermöglicht es uns, Erfahrungen, Fakten und Erinnerungen dauerhaft zu speichern und später wieder abzurufen. B-Vitamine scheinen hier einen besonders starken Effekt zu haben, da Sie die Zellneubildung und damit auch die Plastizität im Gehirn fördern.

Die Erforschung dieser neurobiologischen Grundlagen ist von großer Bedeutung für die Behandlung von kognitiven Störungen und neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer und Demenz.

Gedächtnisstörungen und ihre Auswirkungen auf Kurz- und Langzeitgedächtnis

Eine häufige Form der Gedächtnisstörung ist die Amnesie, bei der die Fähigkeit, neue Informationen zu speichern und abzurufen, beeinträchtigt wird. Menschen mit Amnesie haben Schwierigkeiten, sich an vergangene Ereignisse oder Erfahrungen zu erinnern. Es gibt verschiedene Arten Amnesie, wie die retrograde Amnesie (Verlust von Erinnerungen vor dem Auftreten der Gedächtnisstörung) und die anterograde Amnesie (Beeinträchtigung der Bildung neuer Erinnerungen).

Gedächtnisstörungen können durch verschiedene Faktoren verursacht werden, wie traumatische Hirnverletzungen, neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson, Schlaganfälle, Epilepsie und bestimmte medizinische Bedingungen. Die Auswirkungen von Gedächtnisstörungen auf das tägliche Leben können erheblich sein. Betroffene können Schwierigkeiten haben, einfache Aufgaben zu erledigen, sich an Termine zu erinnern oder sich in ihrer Umgebung zurechtzufinden. Dies kann zu Frustration, Angst und Isolation führen und die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen.

Es ist wichtig zu betonen, dass nicht alle Gedächtnisprobleme auf eine schwerwiegende Erkrankung hinweisen. Gelegentliche Vergesslichkeit kann normal sein, besonders im Alter. Bei anhaltenden oder zunehmenden Gedächtnisproblemen ist es allerdings ratsam, sich ein ganzheitliches mentales Fitnessprogramm zu erstellen.

Gedächtnismodelle und Arten des Gedächtnisses

Forscher haben im Laufe der Zeit verschiedene Gedächtnismodelle entwickelt, um die Funktionsweise des Gedächtnisses besser zu verstehen. Zwei der bekanntesten Gedächtnismodelle sind das Mehrspeichermodell von Atkinson und Shiffrin und das Arbeitsgedächtnismodell von Baddeley und Hitch.

Das Mehrspeichermodell von Atkinson und Shiffrin unterscheidet zwischen drei Hauptkomponenten des Gedächtnisses: dem sensorischen Gedächtnis, dem Kurzzeitgedächtnis und dem Langzeitgedächtnis. Das sensorische Gedächtnis dient dazu, Sinneseindrücke für kurze Zeit zu speichern, bevor sie weiterverarbeitet werden. Informationen, die es ins Kurzzeitgedächtnis schaffen, werden dort für eine begrenzte Zeitspanne gehalten und können durch Wiederholung oder Aufmerksamkeit ins Langzeitgedächtnis übertragen werden.

Das Arbeitsgedächtnismodell von Baddeley und Hitch fokussiert sich auf die aktive Verarbeitung von Informationen im Kurzzeitgedächtnis. Es besteht aus verschiedenen Komponenten, die für die Verarbeitung unterschiedlicher Arten von Informationen verantwortlich sind, wie zum Beispiel visuell-räumliche oder phonologische Informationen. Das Arbeitsgedächtnis ermöglicht es uns, Informationen zu manipulieren und zu nutzen, um Aufgaben zu lösen und komplexe kognitive Prozesse durchzuführen.

Neben diesen beiden Modellen gibt es weitere Gedächtnismodelle, die verschiedene Aspekte des Gedächtnisses beleuchten und unterschiedliche Erklärungsansätze bieten.

Fazit und Ausblick

Gelegentliche Vergesslichkeit ist kein Grund zur Sorge. Sollte das Kurzzeitgedächtnis allerdings immer schlechter werden, ist es sinnvoll, sich seiner mentalen Fitness zu widmen.

Die geistige Leistungsfähigkeit verhält sich ähnlich der körperlichen Leistungsfähigkeit. Wer sie pflegt, kann bis ins hohe Alter vital sein. Das Verständnis des Kurzzeit- und Langzeitgedächtnisses ist hilfreich, Anzeichen von Alzheimer oder Demenz frühzeitig zu erkennen

Quellen

  1. Livingston, G., Sommerlad, A., Orgeta, V., Costafreda, S. G., Huntley, J., Ames, D., Ballard, C., Banerjee, S., Burns, A., Cohen-Mansfield, J., Cooper, C., Fox, N., Gitlin, L. N., Howard, R., Kales, H. C., Larson, E. B., Ritchie, K., Rockwood, K., Sampson, E. L., Samus, Q., … Mukadam, N. (2017). Dementia prevention, intervention, and care. Lancet (London, England), 390(10113), 2673–2734. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(17)31363-6
  2. Cowan, N. (2008). What are the differences between long-term, short-term, and working memory? Progress in Brain Research, 169, 323-338. https://doi.org/10.1016/S0079-6123(07)00020-9
  3. Baddeley, A. D. (2000). The episodic buffer: a new component of working memory? Trends in Cognitive Sciences, 4(11), 417-423. https://doi.org/10.1016/S1364-6613(00)01538-2
  4. Ranganath, C., & Blumenfeld, R. S. (2005). Doubts about double dissociations between short- and long-term memory. Trends in Cognitive Sciences, 9(8), 374-380. https://doi.org/10.1016/j.tics.2005.06.009
  5. Nee, D. E., & Jonides, J. (2008). Neural correlates of access to short-term memory. Proceedings of the National Academy of Sciences, 105(37), 14228-14233. https://doi.org/10.1073/pnas.0805414105